Manisch-depressive Erkrankung
(Bipolare affektive Störung)
Prof. Dr. Peter Hofmann
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Was ist die Manisch-depressive Erkrankung?
"Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt", so übersetzt der Volksmund die Diagnose: Manisch-depressive Erkrankung. Es ist ein Kaleidoskop menschenmöglicher Stimmungslagen zwischen Euphorie und abgrundtiefer Niedergeschlagenheit.
Die Krankheit ist durch abwechselnde Episoden von Stabilität, Depression und euphorischer/dysphorischer Stimmung (Manie) gekennzeichnet. Das persönliche Erleben der Umwelt verändert sich, der Patient verliert den Realitätssinn.
Die Zahl der Episoden ist von Person zu Person verschieden. Manche haben nur eine einzelne Episoden, andere haben viele. Zwischen den Episoden ist der Patient im Prinzip psychisch gesund. Schätzungsweise sind ein bis zwei Prozent der Bevölkerung von der manisch-depressiven Erkrankung betroffen.
Gründe für das Entstehen der manisch-depressiven Erkrankung
Familien- und Zwillingsstudien haben gezeigt, dass erbliche Faktoren für die Entstehung der Krankheit von Bedeutung sind. Forscher bemühen sich herauszufinden, welche Gene konkret für die krankhaften Stimmungsänderungen verantwortlich sind.
Vieles deutet darauf hin, dass die Fähigkeit der Regulation wichtiger Signalstoffe (Überträgersubstanzen) im Gehirn (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin) gestört ist. Eine Therapie zielt deshalb darauf ab, eine kontrollierte Ausschüttung dieser Signalstoffe zu erreichen.
Symptome der Manisch-depressiven Erkrankung
Das Krankheitsbild der Depression:
Herabgestimmtheit
Starke Hoffnungslosigkeit
Mimik und Sprache sind gehemmt (also langsam und starr)
Patient leidet an fehlendem Selbstbewusstsein
ausgeprägte Entscheidungsschwäche
Die Gedanken kreisen oft um Tod und Selbstmord.
Körperliche Symptome (z.B. Appetitverlust, Gewichtsabnahme)
(Mehr zum Krankheitsbild der Depression können sie hier nachlesen.)
In den manischen Perioden ist das Krankheitsbild genau entgegengesetzt. Der Betroffene hat Lebenskraft und das Bedürfnis, etwas auszurichten. Die wichtigsten Symptome sind:
Gehobene/euphrische Stimmung, Aggression, Reizbarkeit
Stark gesteigerter Antrieb und Energie mit Bewegungs- und Aktivitätsdrang
Drang zu Reden; die Stimme ist kräftiger und man spricht schneller als sonst.
Meist keine Krankheitseinsicht
Man ist nicht müde, hat kaum das Bedürfnis zu schlafen.
Hemmungsloses und unkritisches Verhalten; Impulsivität, Spontaneität
Erhöhtes Selbstbewusstsein bis zum Größenwahn
Im Rahmen schwerer sowohl depressiver als auch manischer Perioden können Wahnvorstellungen auftreten. Dabei neigt der Patient in der manischen Episode eher zur Selbstüberschätzung bis hin zum Größenwahn; der Patient glaubt beispielsweise, "Gottes Auserwählter" zu sein oder eine große Erfindung gemacht zu haben oder über höhere Einsichtigen zu verfügen. Dagegen neigt der depressive Patient eher dazu, sich selbst abzuwerten. Innerhalb schwerer depressiver Episoden kann es zur Ausbildung eines sog. "nihilistischen Wahns" kommen; der Patient empfindet sich dann als vollkommen wertlos.
Was kann man als Betroffener selbst tun?
Informieren Sie sich gut über das Wesen der Krankheit
Suchen Sie Hilfe (Arzt, Psychologe) auf, wenn Sie die oben erwähnten Symptome bemerken.
Erkundigen Sie sich hier über Selbsthilfegruppen.
Wie erstellt der Arzt die Diagnose?
Es gibt keine sicheren Tests; der erfahrene Arzt kann jedoch durch die Befragung des Patienten selbst, aber auch durch die Angaben nahe stehender Personen die Stimmungslage des Patienten einschätzen und das Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung beurteilen. Dabei wird er neben der Erfassung psychischer Veränderungen auch charakteristische körperliche Symptome herausarbeiten. Denn gerade die körperlichen Symptome sind nicht selten der Grund, warum Patienten erstmals den Arzt aufsuchen. Einen weiteren "Baustein" in der Diagnosestellung stellt der Ausschluss organischer Erkrankungen dar, welche teilweise auch mit psychischen Veränderungen einhergehen können und entsprechend therapiert werden müssen. In der Zusammenschau der erhobenen Befunde wird es dem Arzt gelingen die Diagnose zu stellen.
Wie sind die Chancen auf Heilung?
Wie oben bereits erwähnt, zeigt die Erkrankung unterschiedliche Verläufe. In einigen Fällen kommt es nur zu einem einzigen Schub, häufiger treten jedoch Rückfälle auf. Leider ist es derzeit nicht möglich, den Verlauf der Erkrankung im Einzelfall vorherzusagen. Die Therapie umfasst daher zwei Ziele: die Behandlung des akuten Krankheitsschubes und die konsequente Vorbeugung gegen Rückfälle. Sowohl für manische wie auch depressive Erkrankungen gibt es heute gut wirksame Medikamente, die im Rahmen eines umfassenden Therapiekonzeptes eingesetzt werden.
Wie wird die Manisch-depressive Erkrankung behandelt?
Die Behandlung der depressiven Episode hängt von der Schwere der Symptome ab: Bei leichten Depressionen (dies treten im Rahmen einer manisch-depressiven Erkrankung aber fast nicht auf) kann eine Gesprächstherapie ausreichend sein, meist wird jedoch die zusätzliche Gabe von Medikamenten (Antidepressiva) notwendig:
Serotoninspiegel steigernde Mittel (selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer): SSRI
Noradrenalinspiegel steigernde Mittel: NARI
Tricyclische Antidepressiva
Tetracyclische Antidepressiva
Mono-Amino-Oxidase-Hemmer mit kürzerer Wirkungsdauer (Reversible, selektive MAO-Hemmer): RIMA
Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer: SNRI
Noradrenalin-Serotonin spezifisches Antidepressivum: NaSSA
DSA (dual serotonergic antidepressant)
In schweren Fällen, besonders in Verbindung mit Selbstmordgedanken, kann die Einweisung in ein Krankenhaus notwendig werden.
Die manischen Episoden behandelt der Arzt medikamentös mit Neuroleptika (antipsychotische Medikamente), Lithiumsalzen (z.B. Lithiumcarbonat) und anderen neueren Substanzen (z.B. Carbamazepin). Die Wirkung der Neuroleptika setzt sehr rasch ein, der Effekt des Lithiums hingegen wird als "sanfter" empfunden.
Zur Rückfallverhütung kommt Lithium oder Antiepileptika (Carbamazepin, Valproat) sehr erfolgreich zum Einsatz. Diese verhindern im Idealfall nicht nur den Rückfall also verlängern die symptomfreien Intervalle, sondern führen im Falle eines Wiederauftretens einer Episode dazu, dass diese geringer ausgeprägt ist.